Für die meisten „unserer“ Schüler*innen waren die pandemiebedingten Schulschließungen eine sehr belastende Zeit: In kürzester Zeit hatten sie kaum Kontakt zu anderen Gleichaltrigen oder Erwachsenen, wurden sich selbst und/oder Medien überlassen, mussten Verantwortung für Geschwister und/oder den Haushalt übernehmen und gleichzeitig Lernlücken schließen, während die ganze Zeit über im Distanzunterricht neuer Schulstoff hinzukam. „Ich wurde vergessen“, sprühte ein*e anonyme*r Jugendliche*r kürzlich auf den Schulhof unserer Kooperationsschule. Prof. Zierer wiederum warnt in seinem Buch „Ein Jahr zum Vergessen“ (2021) vor einer „Bildungskatastrophe nach Corona“.
Obwohl das aktuelle Schuljahr bisher ohne flächendeckende Schulschließungen ausgekommen ist, ist nicht alles wie zuvor. In der pädagogischen Arbeit haben unsere Fachkräfte mit vermehrten Verhaltensauffälligkeiten zu tun: Konflikte, Grenzüberschreitungen, niedrige Frustrationstoleranz, fehlende Kompromissbereitschaft und Aggression gegenüber Mitschüler*innen und Fachkräften, Sexualisierung der Sprache und Verhaltensweise, sowohl an den Grund- als auch den Mittelschulen. „Die Grundschüler*innen haben die Mittelschüler*innen eingeholt, was Verhaltensauffälligkeiten angeht. Das gilt zumindest für die vierten Klassen. Solche Probleme hatten wir vor Corona erst ab der fünften Klasse. Nun sind viele problematische Themen auch in der Grundschule angekommen“, berichtet Lucia Thüroff, pädagogische Fachkraft bei Gesellschaft macht Schule.
Das oberste Ziel der pädagogischen Arbeit seit den pandemiebedingten Schulschließungen besteht darin, den Schüler*innen einen Teil ihres Alltags weiter anzubieten, sie in emotionaler Hinsicht aufzufangen, sie zu körperlicher Bewegung anzuregen und sie bei Lernrückständen zu unterstützen. Wir setzen alles daran, um die prognostizierte Bildungskatastrophe nach Corona abzuwenden oder abzumildern. „Die tagtäglichen Herausforderungen in der pädagogischen Arbeit bereiten wir gemeinsam im Team auf und schauen, dass es unseren Kindern in den Kursen gut geht“, resümiert Patricia Pereira, Projektleitung von „respect U“.
Ein Thema, das uns seit Corona intensivst umtreibt, ist die zunehmende Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen und deren besorgniserregende Folgen. Begegnungen, Bildung und Identitätsprozesse finden nicht mehr nur in der realen Welt statt, sondern in einem hybriden Sozialraum, der von der realen und virtuellen Welt und von deren Wechselwirkungen geprägt ist. In diesem hybriden - und für die Kinder und Jugendlichen oftmals unübersichtlichen - Sozialraum setzen sie sich willentlich oder unfreiwillig gefährlichen Inhalten (Hate Speech, Pornografie), Interaktionsrisiken (Cybermobbing, Cybergrooming) und festgefahrenen medialen Männer- und Frauenbildern aus. Oftmals schützen sie ihre Daten nicht oder verletzen (un)wissentlich Dritte und/oder deren Rechte. Aus diesem Grund sind wir gerade dabei, ein Medienpräventionskonzept zu entwickeln, das sowohl Fortbildungen für Fachkräfte als auch neue Angebote für die Schüler*innen mit dem Schwerpunkt Medien vorsieht.
Wir haben die Kinder während der pandemiebedingten Schulschließungen nicht vergessen und schauen auch seitdem genau hin, um ihre Lebenswelten und Bedürfnisse zu verstehen und bestmöglichst darauf eingehen zu können.