15.12.2020

Schule im Corona-Jahr 2020

Überlastete Eltern und Lehrkräfte, Angst vor Ansteckung, Lücken im Unterrichtsstoff, schlechte Noten, Einsamkeit und Gewalterfahrungen - das trifft die Kinder aus unseren Projekten

Bayern hat erneut den Katastrophenfall ausgerufen. Ein neuer Corona-Lockdown ist beschlossen worden. Die aktuelle Lage ist für uns alle eine Herausforderung. Wenn diese Situation aber schon Erwachsene vor so viele Probleme und Konflikte stellt, wie muss es dann für Kinder und Jugendliche sein?

Corona-Folgen für Münchner Schulen

Der Schulalltag ist an Münchner Schulen seit Ausbruch der Corona-Pandemie und der Schulschließungen im März 2020 zu keinem Zeitpunkt zur vorherigen Normalität zurückgekehrt. Sehr Vieles hat sich geändert: Alle möglichen Dinge, die wir davor für selbstverständlich gehalten haben, sind jetzt nicht mehr erlaubt. Obwohl das neue Schuljahr zunächst eine Rückkehr zur Normalität mit ganzen Klassen versprach, blieb nichts, wie es war. Die Schüler*innen der weiterführenden Schulen mussten auch im Unterricht eine Maske tragen, viele „unserer“ Kinder und Jugendlichen waren bereits zu Beginn des Schuljahres wegen der Rückkehr aus ihren Herkunftsländern, die als Risikogebiete galten, in Quarantäne. In den Folgewochen gingen dann aufgrund des zunehmenden Infektionsgeschehens dann auch immer mehr ganze Klassen in jeweils zweiwöchige Quarantäne. Seit dem 10. Dezember 2020 sind alle unseren achten Klassen wieder im Distanzunterricht, seit Mittwoch, 16. Dezember 2020, gilt das dann für alle Schüler*innen.

Wie geht es den Kindern und Jugendlichen dabei?

Die zu erfüllenden, sich stetig ändernden Vorgaben, überlastete Eltern und Lehrkräfte, die Angst vor Ansteckung, Lücken im Unterrichtsstoff, schlechte Noten, Einsamkeit, Gewalterfahrungen, und die Ungewissheit, was eigentlich passiert und wann es aufhört, all das führt dazu, dass Unsicherheiten, Angst, Nervosität und Aggressivität zunehmen. Und das, was üblicherweise in Krisensituationen hilft, bricht auch weg, nämlich der Austausch mit Freunden, die gerade vielleicht etwas gelassener drauf sind als man selbst. Gerade im Schulalter sind die Freunde oft die wichtigsten Bezugspersonen: Mit ihnen kann man seine Sorgen und Nöte teilen, einfach mal rausgehen oder beim Spielen die Zeit und seine Probleme vergessen. Aber viele sahen ihre Freunde maximal noch in der Schule – mit Maske und Abstand – und das auch nur, wenn man in derselben Klasse ist. Nun sind die Kinder und Jugendlichen für mindestens knapp vier Wochen zuhause. Zuhause ist die Grundstimmung oftmals zusätzlich belastend: Viele Eltern haben Angst und lassen ihre Kinder gar nicht mehr vor die Tür, in vielen Familien gibt es finanzielle Probleme, weil der/die Hauptverdiener/in in Kurzarbeit ist oder sogar ein Jobverlust droht oder erleidet, oft leben die Familien mit vielen Menschen auf kleinem Raum ohne Zugang zu einem Garten oder ähnlichem. Diese Anspannung entlädt sich häufig in Aggression und Gewalt, worunter die Kinder sehr leiden.

Wie bedeutet das für unsere Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen?

Diese schlechte und belastende Grundstimmung, die Ungewissheit, Angst und Verunsicherung, die zurzeit immer mitschwingt, bringen die Schüler*innen mit in die Schule und somit auch in unsere Kurse. Oft bricht sich das Bahn in Gewalt, Verzweiflung, bitterlichem Weinen oder kontinuierlichem Händewaschen...

Konflikte unter den Schüler*innen stehen auf der Tagesordnung und kommen noch on top dazu. Für manche Schüler*in droht sogar der teilweise oder komplette Schulausschluss. Doch nicht mehr in die Schule gehen zu dürfen, das ist für die meisten die schlimmste Strafe: Auf die verlängerten Weihnachtsferien freut sich von „unseren“ Schüler*innen kaum einer.

Wie steht Gesellschaft macht Schule den Kindern und Jugendlichen bei?

Da wir bei unserer Arbeit großen Wert darauf legen, dass Emotionen und Konflikte in unseren Kursen den nötigen Raum & und die nötige Zeit bekommen, um gut verarbeitet zu werden, haben unsere Fachkräfte viel Erfahrung damit, die Kinder und Jugendlichen individuell, aber auch in Kleingruppen bzw. im Klassenverband zu begleiten. Seit März arbeiten wir auch kontinuierlich daran, „unseren“ Schüler*innen auch unabhängig vom Präsenzunterricht an der Schule zur Seite zu stehen, indem wir sowohl Kurse mit Kleingruppen und ganzen Klassen als auch (Telefon-/Online-)Sprechstunden anbieten. So konnten wir bisher mit allen unseren „Quarantäne“-Kindern weiter in Kontakt bleiben. Um bei besonders auffälligen Schüler*innen einen Schulausschluss zu verhindern, sehen wir den dringenden Bedarf, zusätzlich zu unseren Kursen das Format der Einzelcoachings vor Ort an der Schule anzubieten, um ihnen ihre Ressourcen aufzuzeigen, wie sie besser und vor allem auch gewaltfrei ihre Interessen und Bedürfnisse verwirklichen können.

Eine Neuerung, die wir bereits in den Sommerferien erprobt haben und die großen Anklang fand, ist zudem, eine Feriensprechstunde anzubieten. Für den aktuellen Lockdown und die Weihnachtsferien, in denen die Schüler*innen kaum jemanden sehen dürfen, werden wir dieses beibehalten. Wichtig ist vor allem, den Kontakt zu den Schüler*innen nicht zu verlieren und die Beziehung, die unsere Pädagog*innen zu ihnen haben, weiter zu stärken. So hoffen wir, können wir unseren Teil dazu beitragen, dass sich die Kinder und Jugendlichen nicht gänzlich allein gelassen fühlen und Unterstützung und Stärkung erfahren.